Fogo 1995
Chronologie eines Vulkanausbruchs
Der bisher zweitjüngste Ausbruch auf Fogo begann in der Nacht vom 02. auf den 03. April 1995, nachdem bereits ab 25 März schwache Erdbeben auf eine erhöhte Aktivität im Untergrund hingewiesen hatten. Am 02. April wurden die Beben stärker und häufiger. Nach spürbaren Erdbeben um 07:00 und um 15:00 Uhr liess ein starkes Erdbeben um 20:15 Uhr das Geschirr aus den Regalen fallen. Wahrscheinlich gleichzeitig öffnete sich eine etwa 200 Meter lange Spalte an der Flanke des Pico innerhalb der Ebene von Cha das Caldeiras. Um etwa 23:00 Uhr bemerkten die Bewohner von São Filipe einen roten Feuerschein.
Der eigentlichen Eruption ging ein Gasausbruch voraus. Es folgte der Auswurf von grossen Lavablöcken. Nach dieser ersten strombolianischen Tätigkeit nährte ein „Feuer-Vorhang“ einen Lavafluss, der am 03. April um etwa 02:00 Uhr morgens die Strasse nach Portela unterbrach. Ab 05:00 Uhr ging ein „Regen“ von feiner, dunkler Asche auf die Caldeira nieder. Gleichzeitig erhob sich eine Aschenwolke bis in eine Höhe von 2.500 Metern.
Bereits in der Nacht verliessen die ersten Bewohner die Dörfer Portela und Bangaeira. Als der Aschenregen begann, zogen sich auch die restlichen der 1.300 Bewohner zu Fuss nach Mosteiros und São Filipe zurück, sodass Cha das Caldeiras bis Mittag vollständig evakuiert war. Auch etliche Bewohner der Dörfer an der Ostflanke des Vulkans verliessen ihre Häuser.
Bereits am 03. April bildete sich ein Krisenstab unter Aufsicht des Nationalen Verteidigungsministers. Etwa 60 Armeesoldaten wurden entsandt, und ein eigenes Kommunikationssystem eingerichtet. Notunterkünfte in Schulen, privaten Institutionen und Zeltcamps konnten bis zu 5.600 Flüchtlinge aufnehmen. Etwa 1.000 Personen fanden in den Armee-Camps in São Filipe, Patim, Achada Furna, und Mosteiros Unterkunft. Die Soldaten halfen den Bewohnern von Cha das Caldeiras bei der Bergung von Wertgegenständen. Bis zum 16. April versuchten Bewohner von Portela zu Fuss, ihre Habseligkeiten aus der Gefahrenzone zu bringen. Dennoch gab es keine Toten, und nur 20 Personen benötigten medizinische Hilfe, darunter Kinder mit Atemproblemen. Um die Mittagszeit des 03. April erreichte der Aschenregen die Strasse an der Ostseite der Insel. Ein Erkundungsflug zeigte, dass sich eine pilzförmige Aschensäule aus der Caldeira erhob. Die 2.500 bis 5.000 Meter hohe Wolke aus Asche und Dampf war von der 60 km entfernten Insel Santiago aus sichtbar. Der Lavafluss war bereits nach Norden Richtung Portela umgebogen. Südöstlich der ersten Spalte schleuderte ein Schlot bräunliches pyroklastisches Material (Asche, Lapilli und vulkanische Bomben) empor, im Nordwesten warf ein kleinerer Schlot ähnliches Material aus.
In der Spalte selbst förderten drei Schlote feine Asche und kleine Ströme von Stricklava. Grosse vulkanische Bomben mit bis zu 4 Meter Durchmesser wurden bis 500 Meter weit ausgeworfen. Am Nachmittag war die Spalte 2 km lang, und vier neue Schlote öffneten sich in ihrem Nordostteil. In der Nacht vom 03. auf 04. April verstärkte sich die Tätigkeit mit Bildung von neuen Lavaströmen. Die Feuerfontänen erreichten Höhen von 400 Metern. Im Südwesten bildete sich ein Aschenkegel, aus dessen Krater mehrere Ströme von Blocklava mit 3 bis 10 Meter Dicke hervorbrachen.
Am 04. April blieben die Lavaströme unverändert stark, aber der Auswurf von Asche und Bomben hatte signifikant abgenommen. Der zentrale Teil der Caldeira war mit Blocklava bedeckt. Erst am 05. April nahm die Aktivität ab. In den nächsten Tagen erreichte der Lavastrom den Weiler Boca de Fonte nahe dem Rand der Caldeira etwa zwei Kilometer westlich der Spalte und zerstörte mindestens fünf Häuser und die zentrale Zisterne. Einige Quadratkilometer landwirtschaftlichen Grund, auf dem Kaffee, Trauben, Früchte, Mais, Maniok und Bohnen angebaut wurden, fielen der Lava zum Opfer. Während der Lavastrom am 09. April noch mit einer Geschwindigkeit von 10-14 m/h vordrang, verringerte sich seine Geschwindigkeit am folgenden Tag auf 4-5 m/h. Mit einem Erdbeben wurde der zentrale Schlot kurzfristig verstopft.
Am 11. April drangen zwei Hauptströme mit Geschwindigkeiten von 5-6 m/s und einer Temperatur von 1.026°C aus der Spalte. Der kleiner nährte den Lavafluss, der langsam auf Portela zufloss, aber langsam zur Ruhe kam. Der aktivere Lavastrom wurde nach Südwesten in die Niederung von Cova Tina abgeleitet und drang in zwei Loben mit Geschwindigkeiten von 15-20 m/h vor.
Am Vormittag des 12. April dominierte gasreiche strombolianische Tätigkeit, die am Nachmittag von Feuerfontänen von 100 bis 120 Meter Höhe abgelöst wurde. Aus diesen wuchs langsam ein 100 Meter hoher Kegel empor. Am selben Tag floss ein neuer Lavastrom über den ersten, der etwa 1 km südwestlich von Portela zur Ruhe gekommen war. Nur noch dieser Lavastrom war am Abend des 12. April aktiv. Bis zu diesem Tag hatte der Vulkan 50 bis 75 Millionen Kubikmeter Lava gefördert.
Am 13. April waren die Feuerfontänen weiterhin aktiv, und ein kleiner Lavastrom floss in einem drei Meter breiten Kanal den neuen Kegel hinab. Dieser hatte eine Höhe von 120 Metern erreicht und sollte am folgenden Tag um weitere 10 Meter wachsen. Die Lavaströme drangen kaum mehr vor. Neue Blocklava überfloss die älteren Lavaflüsse, und die Auflast führte zu seitlichem Ausweichen.
Bis zum 16. April blieb die Aktivität unverändert, und der neue Kegel war 140 Meter hoch. Geschätzte 2,5 bis 8 Millionen Kubikmeter Material wurden pro Tag ausgeworfen. Am 16 April wurde die Front des Hauptstroms reaktiviert, und die Lava drang weitere 38 Meter Richtung Portela vor. Das nächste Haus war nur noch 534 Meter entfernt! Die Temperatur der Lavafront betrug 1.056°C. Südlich von Boca de Fonte verbreiterte sich der Lavastrom und breitete 19 bis 26,5 Meter nach Westen aus.
Am folgenden Tag bewegte sich der Lavastrom weitere 150 Meter nach Norden auf Portela zu. Auf seiner Westseite floss die Lava mehr als 100 Meter in Richtung Caldeira-Rand. Am 17. April erreichte sie die Wein-Kooperative von Boca de Fonte und zerstörte den grössten Teil des Gebäudes. Danach waren kaum noch Bewegungen des Lavastroms wahrnehmbar. Nun war auch die Nebenstrasse nach Portela zerstört, und Landwirtschaftsflächen mussten für einen neuen, etwa 500 Meter längeren Umgehungsweg geopfert werden. Am Vulkankegel nahm die explosive Tätigkeit nach 19:00 Uhr wieder zu, und die Auswürflinge wurden 150 bis 200 Meter hoch geschleudert.
Die Feuerfontänen wurden am nächsten Tag durch strombolianische Tätigkeit abgelöst. Die lautstarken Explosionen erfolgten im Abstand von 3 bis 8 Sekunden, und die Bomben erreichten Kubaturen von bis zu einem Kubikmeter! Gleichzeitig floss verstärkt Stricklava aus. Ein teilweiser Versturz des Krater verursachte um 17:45 eine starke Explosion, bei der Asche und Gas 500 bis 600 Meter hoch geschleudert wurden. In den frühen Morgenstunden des 19. April zeigten weitere starke Explosionen, dass der Schlot von verstürztem Material „gereinigt““ wurde. Die Lavaströme bewegten sich kaum noch, obwohl sich auf ihnen neue Lava ansammelte.
Ein neuer Strom von Blocklava kroch am 20. April über die ältere Lava hinweg. Um 17:00 Uhr war er etwa 600 Meter vom Nordende des „alten“ Lavastroms entfernt. Wie bei Ausbrüchen von viskoser basischer Lava üblich, stürzte auch in den folgenden Tagen wiederholt Material in den Schlot, was heftige Explosionen zur Folge hatte. Der nun 160 Meter hohe Aschenkegel wuchs kaum noch, wurde nun aber von Einschlagkratern der vulkanischen Bomben übersät.
Ohrenbetäubende Explosionen aus vier Schloten erschütterten die Caldeira am 23. April. Am Nachmittag öffnete sich ein neuer Schlot, aus dem bald Stricklava austrat und die ältere Blocklava überfloss. Dadurch wurde der bisherige Lavastrom von Nachschub abgeschnitten. Etwa 500 bis 700 Meter vom Schlackenkegel entfernt vereinigte sich dieser neue Strom mit dem nun stagnierenden Strom von Blocklava.
Die strombolianischen Explosionen hörten am Nachmittag des 24. April auf. Ein grau-schwarze Wolke aus feinkörniger Asche und Gas erhob sich 1.500 Meter über den Boden der Caldeira. Noch immer floss Lava aus, die in teils heftigen Explosionen entgaste. Doch die Menge hatte sich auf etwa 250.000 m³ pro Tag verringert. In den letzten Tagen des April erfolgten täglich etwa fünf bis zehn Explosionen, gefolgt von längeren Ruhephasen. Auch der Lavafluss nahm ab.
Anfang Mai waren knapp fünf Quadratkilometer landwirtschaftlicher Grund von der Lava verwüstet. Abgesehen von fünf Gebäuden und der Wein-Kooperative in Boca de Fonte waren keine Gebäude zerstört worden. Noch immer kehrten die Bewohner von Cha das Caldeiras aus den Lagern in ihre Häuser zurück, um Gegenstände des täglichen Bedarfs zu holen.Erst am 10. Mai fielen drei weitere Häuser in Boca de Fonte den Lavamassen zum Opfer.
In den ersten Maitagen förderte die Hauptspalte vor allem vulkanische Gase. Sie reizten Augen und Atemwege und verursachten Kopfschmerzen und andere Beschwerden. An einigen Stellen setzte sich Schwefel ab.
Am Nachmittag des 14. Mai nahm die Aktivität wieder zu. Seilartige Stricklava floss in einem Lavatunnel mit Geschwindigkeiten von zwei Metern pro Minute. Ausserhalb des Tunnel reduzierte sich die Geschwindigkeit auf zwei Meter pro Stunde. Am Abend warfen Explosionen im Schlackenkegel mindestens fünf Stunden lang Blöcke bis zu 30 Meter hoch aus.
Dichte Wolken von Gas und Asche drangen am 17. Mai aus dem Schlackenkegel. Am Nachmittag nahm die explosive Tätigkeit wieder zu. Dies führte zum Kollaps von Teilen der Kraterwand. Orange und roter Staub erhob sich etwa 100 Meter über den Krater. Die vulkanische Exhalationen waren so intensiv, dass noch in mehr als zwei Kilometer Entfernung das Atmen nur mit Gasmasken möglich war.
Die Eruption endete um den 26. Mai. Die neuen Lavaströme bedeckten eine Flächen von 6,3 Quadratkilometern, davon 4,3 Quadratkilometer landwirtschaftlichen Grund. Boca de Fonte wurde komplett zerstört, und die Lava hatte sich den ersten Häusern von Portela bis auf 300 Meter genähert. Geschätzte 60 bis 100 Millionen Kubikmeter Lava waren ausgetreten, und die Dicke der Lavaströme betrug 9 bis 15 Meter. Dennoch gab es keine Toten, und die Verletzungen beschränkten sich auf Reizungen der Atemwege durch vulkanische Gase und Staub. Etwa 1.000 Menschen fanden in Armee-Camps Zuflucht, der Rest wurde von Verwandten aufgenommen.